Fossombrone / PU
Marche - Italien


1996 fing ich an meine Wurzeln zu suchen, fand 1997 mein Vater mit seiner Familie in Italien.

Um die Geschichte besser zu verstehen:
Die Arbeitsimmigration aus Italien begann im grossen Stil im späten 19. Jahrhundert.
Sie kamen als Gastarbeiter, Saisonnier in die Schweiz, um zeitlich begrenzt zu arbeiten. Sie durften keine Familie hier haben und auch keine Kinder. Wurden nur als Arbeitskraft geduldet, wenn Sie bei der Einreise in die Schweiz einen Arbeitsvertrag vorweisen konnten. Ehepaare nur, wenn beide arbeiten. Ihre Kinder mussten im Heimatland bleiben. Kam ein Kind in der Schweiz zur Welt, muss die Mutter nach der Geburt sofort weiterarbeiten. Tausende Kinder landen in Schweizer Kinderheimen oder wurden in Wohnungen versteckt „Schrank-Kinder“ oder wieder nach Italien abgeschoben.
Ich weiss, dass nicht nur mein Vater, sondern auch einige andere von Fossombrone damals in der Schweiz gearbeitet haben.

Nach 34 Jahren fand ich die andere Seite meiner Wurzeln.
Die Suche nach meinem Vater begann ich erst 1996. Sie war sehr mühsam. Ich schrieb insgesamt 15 Anfragen mit Schreibmaschine und 12 Anfragen von Hand. Ich erhielt Antworten von den verschiedenen Gemeinden im Kanton Luzern, wo er gewohnt und gearbeitet hatte. In einem dieser Antworten stand seine Heimat und seinen Geburtsort. Auf einem andern Briefe sogar die Nummer seines Akten-Dossier. Sie war von Hand dazu geschrieben worden. Jedoch kam ich nicht n viele Informationen, nur jene von diesem Gerichtsfall damals. All dies und noch viele Beweise mehr zeigen auf, wie verlogen unsere Behörden, die Gemeinden, mit deren Mitarbeiter damals waren, wenn es um den Vater eines unehelichen Kindes ging. Die Behörden hier in der Schweiz haben die Beweise versteckt und teilweise vernichtet und mich angelogen.

Was ich heute anhand der Akten weiss, wusste meine Vormünderin seit dem August 1963 schon alles über meinen Vater, wirklich alles. Auch die Tanten aus dem Kinderheim wusste es. Sie verbreitete jedoch ihre eigene Geschichte, dass Sie nicht wissen, wer er ist und alle glaubten Ihren Lügen.

Ich fing an zu suchen und bekam Antworten, die mir bei der Suche nicht weiter halfen. Jedoch fand ich so heraus, was sie mit uns damals machten. Ich habe bis heute eine stink Wut auf jene, die mir alles wegnahmen. Es hatte System. Sie machten es nicht nur mit uns. Sie machten es mit tausende von Vätern und Müttern, mit deren Kindern. Wie der letzte Dreck wurden wir von Ihnen behandelt. Da ich nicht weiter wusste, schrieb ich 1996 sogar einen persönlichen Brief an den damaligen Stadtpräsidenten von Luzern. Er reagierte sogar, bemühte sich sehr. Nahm Kontakt in Italien auf, jedoch gaben Sie ihm keine Auskunft. Das Verhältnis zwischen der Schweiz und Italien war nicht gut.

Nur durch einen Zufall 1997 fand ich ihn. Als ich mit meinem damaligen Freund zu seinen Verwanden auf Neapel in die Ferien fuhr. Dort fragte ich seinen Onkel, ob er helfen kann, meinen Vater zu finden. Auf dem Rückweg in die Schweiz traf ich ihn zum ersten Mal. Meine Empfindungen, was damals in mir vorging, als ich vor ihm stand, kann ich nicht beschreiben. Erst danach, ich habe nie in meinem Leben so sehr geweint. Dass ich meinen Vater und seine Familie danach besser kennenlernen, durfte, verdanke ich auch zum Teil meiner Schwester.

Als ich in die Schweiz zurückging, wollte ich, dass er auf mich zukommt. Weil man einen alten Baum nicht mehr verpflanzen kann, meine Rede. Ein paar Monate später klingelte das Telefon: Er rief an und fragte mich, wann ich auf Italien komme. So fing alles an und ich danke ihm und seiner Frau aufrichtig dafür, dass sie mir die Gelegenheit gegeben haben, ihn, seine Familie, alle seine Verwandten und Freunde und alles, was dazu gehörte, kennenzulernen.

31. Mai 1997

An dem Tag als ich mein Vater, Schwester zum ersten Mal sah. Kurz darauf lernte ich meine zweite Mutter kennen. Nun hatte ich also eine echte Familie, mit vielen Verwandten, die ich mit der Zeit kennenlernte, und da ich nie eine echte Familie hatte, die nur mit mir verwandt war, musste ich über viele Jahre lernen, was es bedeutet, eine solche zu haben.
 Aktenbeweise meines Vaters, wie die Schweiz mit ihm umgegangen ist, findet man unter Kantone und dann im Kanton Schwyz und Kanton Luzern. Dazu unter Historisches & Geschichte in der Rubrik Gastarbeiterkinder. Dort kann man Artikel lesen, wie die Schweiz mit Gastarbeiter und deren Kindern damals umgingen. Er war nicht der einzige Betroffene. Eltern oder ein Elternteil wurden damals sehr oft via Fremdenpolizei aus der Schweiz gejagt, ohne Rechte. Zu viele Kinder wie ich, ein Bastard oder "Tschingg", wie sie uns nannten, wurden auch ohne Rechte versorgt. Jedoch wurde mein Traum 1997 wahr.  Was bleibt sind schöne Erinnerungen, neue Freunde und ein Ort wo ich jederzeit hingehen kann.

Ich kann mir nur vorstellen, wie schmerzhaft es war und wie sehr seine Seele verletzt wurde.


Fossombrone in der Provinz Pesaro und Urbino

Mein zweites Zuhause - Meine zweite Heimat

Wahrzeichen von Fossombrone "Ponte Concordia" mit dem Fluss Metauro

Kann ein Traum wahr werden?
Geschrieben für eine Deutschaufgabe 23.11.2009 BFS1
Thema war kurze Geschichte oder Beschreibung
Immer wenn ich in meinem Auto weite Strecken fahre, schweifen meine Gedanken
ab. Entweder in die Zukunft oder in die Vergangenheit. Weite Strecken auf der
Autobahn zu fahren verleiten einem dazu. An früher, an meine Kindheit zudenken.
Nun bin ich schon am Gotthard, da muss ich aufpassen, darf nicht abschweifen.
Dieser Tunnel löst bei mir immer viel Respekt ein. Er ist gefährlich, es ist warm und
eine Müdigkeit schleicht sich ein. Es dauert zwanzig Minuten. Dann das Tessin, die
Berge, die vielen Wasserfälle, alles ist so grün. Aber da war auch viel, die Traurigkeit
in mir. Etwas, das ich nicht hatte, das mir fehlte, vor dem ich Träumte. Dieser
Wunsch, der nie wahr wurde. Manchmal Hoffnungen Erweckte, aber auch wieder
nicht. Viele heimliche Tränen. Die Grenze kommt, die Passkontrolle. Die Landschaft
verändert sich. Das Land wird flacher die Berge sind weit weg und verschwinden
dann langsam. Nun bin ich schon ein paar Stunden Unterwegs im Auto. Dazwischen
auf einem Rastplatz ein Snack ein Kaffee. Die vielen Fremden, alle mit einem Ziel vor
Augen, mit Sehnsüchten und Träumen, Hoffnungen und Ängsten. Rechts und links
nur die weite mit vielen Heuballen, alten Häusern die fast schon Ruinen sind. Und
immer wieder taucht ein grosser breiter Fluss auf. Ganze Alleen von Bäumen die den
Wind abhalten. Auch die vielen Fremden Gerüche. Manchmal wirklich nicht mehr für
die Nase geeignet. Aber immer noch die leere in mir, als ob etwas fehlt. Oft auch das
Gefühl trotz allem alleine zu sein. Mein Traum, der immer noch nicht in Erfüllung
gegangen ist. Der langsam im Herzen verschwindet. Man wird erwachsen, das
Leben wird noch härter. Hat keine Zeit mehr für Hoffnungen und Sehnsüchte.
Schon eine lange Zeit fahre ich. Im CD Player läuft Robert Miles, es passt zur
Abendstimmung. Die Sonne die bald Untergeht, taucht das weite Land in eine
Traumlandschaft. Diese sagenhafte Stimmung, die ich jedes Mal wen ich hier bin
Erleben darf. Jedes Mal aufs Neue Faszinierend. Die Strasse wird wieder enger,
auch hat es wieder kleinere Hügel. Ein grösseres Dorf taucht auf. Noch ein paar
Minuten, dann bin ich da. Fahre nicht in den alten Römisch Stadtteil, nein in den
neueren. Vor mir taucht ein Restaurant auf. Ich parkiere mein Auto. Wird mein Traum
nun Wahr, ein Traum von dem ich nicht wusste was es für ein Traum ist.
Nun gehe ich ins Restaurant und frage dort jemandem nach meinem Traum. All die
langen Jahre hatte ich meinen Traum, doch immer wieder im Herzen gehabt. So
viele Jahre, wird er wahr! Jemand kommt von unten herauf, ich bin leer, ohne
Gedanken im Kopf. Was erwartet mich…… Ja, da steht er vor mir…mein
Traum…..mein Vater. Nun bin ich Zuhause.

Geschichte des Gemälde Lucio 68

Dieses Bild Lucio 68 bekam ich von meiner Grossmutter. Vermute das der Zeichner dieses Bildes aus Fossombrone ist und ein Freund meines Vaters war. Es hing über viele Jahre im Wohnzimmer an der Wand oberhalb des Esstisches bei meinen Grosseltern in Littau im Kanton Luzern. Bevor meine Grossmutter 1995 mit 88 Jahren ins Altersheim ging, bekam ich dieses Bild von Ihr. Sie sagte: Sie habe es von meinem Vater geschenkt bekommen. Über ihn gesprochen hat sie erst, als ich Ihr 1997 gesagt habe, dass ich meinen Vater gefunden habe und nun ihn mit seiner Familie besser kennenlernen will.

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