Weiter mit meiner Autobiografie von 1996 …

Die Interessen des Kindes zu wahren, stand bei mir damals nur in den Akten. Papier war sehr geduldig in meiner Kindheit. 

Im Gesetz stand: Der Vormund hat das Interesse des Kindes zu wahren und die Pflege und Erziehung zu überwachen. Art. 311, Abs.2 ZGB 368

Davon habe ich sehr viele Jahre nichts gemerkt. Denn jene Personen, sei es die Vormundschaftsbehörden oder jene in dem jeweiligen Kinderheim, sie sassen alle am längeren Hebel. Sie teilten uns in Klassenmenschen ein. Gute Kinder oder schlechte, böse Kinder. Sie liessen ihre Macht an uns unschuldigen Kindern aus. Sie logen sich Geschichten zu Recht und machten unsere Eltern zu Monstern. Oder zu nicht existierenden Menschen. Sie alle hatten keine Ahnung, was sie an uns und auch an mir damit anrichtete. In den Augen zu vieler erwachsener Personen und auch gewissen Kindern war ich so etwas wie ihr Teppichabtreter. Den Frust, den sie hatten an jemand unschuldigen, der sich nicht wehrte, auszulassen. Ich war ein gutes Objekt, denn ich wehrte mich nicht. Dies, weil ich merkte, dass es nichts bringt. Nur noch mehr und härtere Strafen. Sich für andere Kinder einsetzen war nicht gut und oft mit weiteren Konsequenzen, also Bestrafung verbunden. Mit der Zeit wurdest du ein Einzelgänger inmitten vieler Kinder. Zu viele Erniedrigungen. Zu viel physische und psychische Erpressung und Drohungen nur mit Worten. Zu viel Gewalt, bis hin zu grundlose Bestrafungen. Diese Machtspiele der Erwachsenen, die sie an uns Kindern ausübten, verursachte wiederum weitere Aggressivität unter uns Kindern. Daher versuchte ich, nicht mehr aufzufallen. Durchsichtig werden. Es war schwer, mit solch einer Vergangenheit in der Kindheit erwachsen zu werden und doch wartete ich sehnsüchtig auf meine Volljährigkeit. Den Wunsch, nicht mehr unter der Vormundschaft zu stehen, damit alles besser wird. Aber das war nur eine Utopie. Wunschdenken, denn das vergangene verfolgte einem, man wird es nicht los. Denn es haftet wie eine lästige Klette ein Leben lang an dir und in deinem Unterbewusstsein. Leider hast du dann schon viel zu viel Bitterkeit, Hass, Unwahrheiten und noch vieles mehr erlebt. Mit diesem ganzen vollgepackten Rucksack, denn all jene damals an dir anrichteten, ist es nicht leicht, dies jemandem anzuvertrauen. 

Denn was du und tausend andere wie ich damals als erlebten, glauben bis heute zu viele Menschen hier in der nach aussen heilen Schweiz immer noch nicht. 

Fortsetzung folgt …

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Jeder von uns im Kinderheim war damals auf sich alleine gestellt. Für mich gab es dort viel Wut, die innerliche Wut, mit der ich nicht umzugehen wusste. Ich war hilflos dem ausgesetzt. Fras alles in mich hinein und wehrte mich sehr lange nicht. Mit der Zeit, wenn man wieder eine Strafe bekam oder Prügel einstecken musste, weinte man auch nicht mehr. Andere Kinder wiederum, liessen ihre Wut an anderen Kindern im Kinderheim aus. Niemand war da, einem zu trösten, in die Arme zu nehmen. Die anderen Kinder konnten und wollten dich auch nicht trösten, denn sie hatten selber genug Probleme. Dazu wussten und getrauten sie sich auch nicht. Der Zusammenhalt im Kinderheim war nur ausserhalb des Heimes da, auf dem Heimweg oder in der Schule. Wenn man im Heim doch einmal einem anderen Kind half, wurde man prompt bestraft und bezog dafür wieder Prügel. Von einem anderen Kind oder auch von diesen Heimtanten. Die Wut in all den Jahren in meiner Kindheit verwandelte sich in Aggressionen, oft auch Hass. Aggressionen und Hass mit dem ich nicht umzugehen wusste. Also dachte ich mir auf dem Schulweg, wenn ich alleine war blutige Unfälle aus. Autounfälle oder einen Flugzeugabsturz, mit viel Toten. Von wo ich das hatte, weiss ich nicht. Ich glaube jedoch, ich war ein sehr verstörtes Kind. Das kam von den zu viele Orten, wo ich so einiges ertragen musste. Ein TV-Gerät gab es im Kinderheim irgendwann in jener Zeit als ich dort war. Etwas schauen jedoch nur unter Aufsicht eines Erwachsenen. Als ich grösser wurde, fand ich das erschreckend, dass ich als Kind solche Gedanken hatte. Ich hätte Hilfe gebraucht, aber anstatt das mir jemand half, ging meine Kinderhölle im Heim weiter. Normale Gefühle, die ich hätte haben müssen, konnte ich gar nicht in diesem Umfeld entwickeln. Eine Bindung, die du vielleicht wolltest, gab es nicht. Die Heimtanten und meine Vormünderin achteten darauf, dass dies nicht passierte. Die damalige Zeit vergleiche ich heute, wie mit einem Rudel Wölfe. Du musstest dich dem Rudel anpassen. Deinen Rang in dieser Hierarchie erkämpfen. Dieser Platz, wenn du ihn einmal hattest, musstest du natürlich beibehalten oder weiter nach oben kämpfen. Mit dem älter werden lerntest du dich durchzusetzen und dich zu wehren. Je fieser du warst, umso angesehener warst du bei den anderen Kindern. Du konntest es dir gar nicht leisten, da nicht mitzumachen, sonst kamst du einfach unter die Räder. Ihr könnt mir glauben, Kinder können fies sein. Diese Macht über jemanden zu haben, lernte man damals im Kinderheim. Ich lernte dies erst mit der Zeit. Es blieb mir keine andere Wahl. Entweder du passt dich dem an, oder du gehst kaputt daran. 

Fortsetzung folgt …

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Es herrschte in meiner Kindheit Täterschutz vor Opferschutz. Angefangen hat es bei mir als Säugling, denn ich wurde durch die Behörden ohne Grund versorgt. Dann als Kleinkind hin und her geschoben wie ein Gegenstand. Was die so alles mit mir machten, darüber hat meine Vormünderin nie etwas geschrieben, wo ich gerade wieder einmal war. In ihren Berichten sind nur ein paar wenige Sätze und die Heimtanten vom Lutisbach unterstützten sie auch noch. Als jugendliche machte meine Vormünderin weiter und nachdem ich 20 Jahre alt war, musste ich die Auswirkungen obwohl volljährig und nicht mehr unter ihre Vormundschaft noch zwei Jahre spüren. Denn sie beutete mich sogar noch finanziell durch jene Lehre, die sie mir aufgezwungen hatte, aus. Ich weiss sehr genau, was er heisst, über 20 /22 Jahre den Behörden schutzlos ausgeliefert zu sein. Ich war für viele nur ein Bastard, lange ein ahnungsloser Wurm. Meine Mutter, so sagten sie, sei eine „Liederliche“ Person. Abgestempelt von der Gesellschaft, dazu von fast der gesamten Familie und vielen Personen, die vom Hörensagen, sie noch mehr in den Dreck zogen, wie eine aussätzige behandelt. Als ich auf die Welt kam, ahnte ich und meine Mutter noch nicht, dass wir über viele Jahre in diesem System gefangen waren, ohne dass wir uns wehren konnten. Wir in Zukunft so viele erdulden mussten, nur weil viele ihre Macht an uns ausübten. Was ich wusste und lernte dazumal, dass es auf dieser Welt manchmal sehr brutal und eigenartig zu und hergegangen ist und das Leben ein einziger Kampf war, um zu überleben. Aber da ich ein positiver, humorvoller Mensch war und bin, habe ich auch gutes daraus lernen können. Heute bin ich dankbar, dass ich so gute Eigenschaften von meinen Eltern und Grosseltern für mein Leben mitbekam.

Vergessen, geht all das, was wir erdulden und erleiden mussten NIE. Auch wenn es Menschen da draussen gibt, die sagen, man soll alte Geschichten vergessen, dann rate ich ihnen, sich mit dieser dunkelsten, düstersten Vergangenheit der Schweizer Geschichte auseinander zu setzen.

Fortsetzung folgt …


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Als ich älter wurde, wollte ich nur ein Teenager sein, um im Dorf mit anderen Jungs und Mädchen zusammen Zeit zu verbringen und eine Freundin haben. An ganz normale Partys mit gleichaltrigen zu gehen. Nicht immer wegen des Kinderheimes von anderen ausgegrenzt und gemobbt zu werden. Dies alles durften wir im Kinderheim Lutisbach damals nicht. Obwohl wir in die öffentliche Schule gingen, lebten wir fast wie in einem Gefängnis. Was dann, als ich älter wurde, für mich wichtig gewesen wäre, dass ich eine Ausbildung, Lehre machen konnte, die ich wollte. Aber auch das bestimmte meine schon kurz vor der Pensionierung stehende alte Vormünderin. Natürlich, was sie wollte. Es gab zwei Personen, die sich für mich einsetzten. Sie wollten nur das beste für mich und beide dieser Vorschläge hätten mir gefallen. Eine war vom neuen Heimleiter im Lutisbach, der mein handwerkliches Geschick festgestellt hatte und die Liebe zu Holz und anderen Materialien. Er meinte, ich soll doch eine Schreinerlehre machen, was ganz nach meinen Wünschen gewesen wäre. Meine Stärken lagen im Handwerk. Aber auch dies wollte meine Vormünderin nicht. Zuerst musste ich mit Ihr nach Luzern zu einem Berufsberater. Dort wurde ich von meiner Vormünderin so richtig heruntergemacht. Mit ihren Sätzen, ich bin nichts, du kannst nichts und hast schlechte Noten usw. Meine Wünsche wurden total ignoriert. Bei diesem Gespräch dort kam ich mir vor, als schlüge sie mir mit einem Baseballschläger ständig auf den Kopf. Wir hätten gar nicht dort hingehen müssen, denn von Anfang an war mein Leben nach ihrem Gutdünken programmiert, so auch jene Lehre, die sie wollte. Damit, so meinte sie, ich eine gute Ehefrau abgebe, wenn ich dann einmal heirate. Es käme nicht infrage, dass ich eine Lehre mache, die nur Knaben lernen dürfen. Vor allem dann in einer Männerdomäne arbeiten. Als ich erwachsen wurde, musste ich über sehr viele Jahre die Scheisse ausbaden, was sie an mir in diesen 20 Jahren mitsamt der Lehre anrichtete. Nach der Lehre den Weg gehen, den ich wollte, das war über viele Jahre sehr hart. Dies nur, weil sie mir nicht das ermöglichte, was mir als Mensch zugestanden wäre. Das Recht auf ein normales Leben.

Fortsetzung folgt …

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Ich wollte doch nur Kind sein zu dürfen. Ohne Druck zur Schule gehen, allen zeigen, wie gut ich sein kann. Mit Puppen spielen und eine Puppenstube besitzen. All diese Spielzeuge, die ein kleines Mädchen, wie ich damals war, nicht bekam. Es hatte zwar Puppenstuben und Puppen, aber wir durften nur am Sonntag damit spielen, wie mit vielen anderen Spielsachen auch. Zuvor brauchten wir jedoch die Erlaubnis. Ich hatte so viele wünsche, die nie in Erfüllung gingen. Den Wunsch ein ganz normales Kind sein dürfen, das die Liebe und Geborgenheit von seinen Eltern bekommen sollte. Stattdessen wurde ich hin- und hergerissen wie ein Gegenstand. Ich durfte jedoch kein Mädchen sein. Meine ganze Kindheit war geprägt durch die Macht, die die Erwachsenen an mir ausübten. Die macht meinen Willen zu brechen. Sie nannten es, mich zu einem charakterfesten Menschen zu machen. Ich wurde von den meisten Erwachsenen nur benutzt. Sie schnitten mir die Haare über viele Jahre so kurz, dass alle meinten, ich sei ein Knabe. Den ganzen Tag sagten sie, mach dies … mach das … du darfst dies nicht und das nicht. Vor allem musste man gehorchen und brav sein. Ständig kontrolliert und keine Privatsphäre. Erst spielen, wenn die Hausaufgaben gemacht waren. Früh ins Bett, oft war es noch sehr hell draussen und als ich kleiner war, gaben sie mir Valium, damit ich ruhig war. Essen, was auf den Tisch kam, wenn du es nicht gerne hattest, wurdest du gezwungen, bis zum Erbrechen. Oft nicht am Mittagstisch, sondern in irgendeinem Raum setzten sie dich mit dem Teller hin, wenn du dies verweigern wolltest, bekamst du dies dann aufgewärmt zum Nachtessen. Oder nur mit Wasser und Brot ins Bett. Wenn du in ihren Augen nicht artig warst, dann wurdest du in den Keller oder Heizraum gesperrt. Oft auch ins Badezimmer und Nähzimmer. Die Glühlampe nahm sie zuvor heraus. Ganz geschweige denn von den vielen Körperlichen Züchtigungen, die du fast jeden Tag bekamst. Oft wusste ich gar nicht, warum sie mich schlugen. Eine kindgerechte Kindheit hatte ich ganz sicher nicht. Auch wünschte ich mir immer eine Freundin, die mich versteht. Stattdessen wurde ich gemobbt, ausgelacht und wie eine Aussätzige behandelt. 

Ich bin das Produkt aus dieser Zeit. 

Fortsetzung folgt …